2020 – Was für ein Jahr!

2020 – Was für ein Jahr!
Szene aus der Lesung “Revolution - Räte - Republik” © Michael Lindner

Auch wenn wir uns langsam in 2021 eingefunden haben, wollen wir – die vernetzten zivilgesellschaftlichen Initiativen im Rathausblock – es nicht versäumen, Euch einen kleinen Rückblick auf das turbulente Jahr 2020 zu präsentieren. Denn auch, wenn nicht alles so stattfinden konnte, wie geplant – passiert ist trotzdem viel.

AnlaufStelle, Corona-konform © ZusammenStelle
AnlaufStelle, Corona-konform © ZusammenStelle


Die Pandemie als Bremse

Am Anfang des Jahres überwältigte auch uns der Ausbruch der Pandemie und damit eine Situation, die den Alltag und die Zusammenarbeit im Rathausblock stark verändert hat. Wie viele andere zivilgesellschaftlich Engagierte sind auch wir durch die Maßnahmen stark betroffen. 

Es begann mit dem Ausfall sämtlicher Veranstaltungen. So plante unsere Wohngruppenvernetzung GeWiSel im Frühjahr eigentlich eine Soliparty im Gretchen (die so bald wie möglich nachgeholt werden soll). Das alljährliche Highlight, das von Dragopolis in Zusammenarbeit mit dem Gretchen veranstaltete Nachbarschaftsfest Dragonale, musste in diesem Jahr ebenfalls pausieren. Aber nicht nur auf Feste mussten wir verzichten. Auch die Einbeziehung von Nachbar*innenschaft und anderen Interessierten in den Planungsprozess, die sonst unter anderem über das Forum Rathausblock ermöglicht wird, konnte nicht wie gewohnt stattfinden. Stattdessen wurde im Sommer ein open-Air Forum vor dem Kiezraum organisiert, und die Ergebnisse des städtebaulichen Entwurfes wurden in einem digitalen Sonderforum präsentiert. 

Auch auf der Ebene der Zusammenarbeit veränderte sich vieles. Mittlerweile sind wir relativ routiniert im Umgang mit unseren digitalen Strukturen, doch die Umstellung hat Zeit gekostet und Fragen über Entscheidungsfähigkeit, Zugänglichkeit sowie Sicherheit der Online-Plena aufgeworfen. Weiterhin fehlen uns die informellen, spontanen Treffen auf dem Gelände.

Die AnlaufStelle, die erst im Februar von der Plangarage in die Tanke (dem Kassenhäuschen der ehemaligen Tankstelle neben dem Eingang der LPG) gezogen war, musste zeitweise pausieren. Mit der FunkStelle haben wir im Frühjahr eine digitale Alternative geschaffen, in der wir uns mit anderen gemeinwohlorientierten bzw. nachbarschaftlichen Initiativen und Gruppen zu den Herausforderungen in unserer Arbeit ausgetauscht haben. Da die AnlaufStelle als physisches Format aber unersetzlich ist, haben wir Euch im Rahmen der Möglichkeiten über Sommer und Herbst wieder an der Tanke begrüßt. Seit Dezember pausiert die AnlaufStelle wieder, aber wir starten nun mit der FunkStelle 2.0, um auch während des aktuellen „Lockdowns“ eine Möglichkeit des Austauschs zu schaffen.


Doch es geht weiter: mit Aktionen und neuen Räumen auf dem Areal

Zu Beginn des Jahres konnten Veranstaltungen noch unter ganz normalen Bedingungen in Innenräumen stattfinden – zum Beispiel veranstaltete die Nachbarschaftsinitiative Dragopolis eine szenische Lesung “Revolution-Räte-Republik” im gut besuchten Gretchen. Dort wurde auch der Science-Fiction-Film “Dragona 2320” gezeigt, der in einem Workshop mit einer Gruppe Jugendlichen gedreht wurde – mit dem Areal als Kulisse.

Szene aus der Lesung “Revolution - Räte - Republik” © Michael Lindner
Szene aus der Lesung “Revolution – Räte – Republik” © Michael Lindner
“Revolution - Räte - Republik” © Michael Lindner
“Revolution – Räte – Republik” © Michael Lindner

Aber auch unter veränderten Bedingungen haben wir mit einer Vielzahl an größeren und kleineren Veranstaltungen das Areal bespielt:

Die Initiative Stadt von Unten hat an einem Sommerabend die Plangarage zum Kino umfunktioniert und mit ihrem Kampagnenfilm die Unterschriftensammlung „100%FhainXBerg – 100% bezahlbar“ eingeleitet, die auch jetzt noch weiterläuft.

 Kino an der Plangarage © Lisa Vollmer
 Kino an der Plangarage © Lisa Vollmer

Die Gruppe um den Baupalast hat im Rahmen ihres Phase III – Programms zum Ofen-Bau, zum Spazieren und ebenfalls zum Garagenkino eingeladen.

gemeinsamer Ofenbau © Rebecca Wall 
gemeinsamer Ofenbau © Rebecca Wall 

Zusätzlich hat sich ein Keramik-Treff etabliert, bei dem wöchentlich gemeinsam auf der Grünfläche vor den Garagen getöpfert wurde – unter anderem, um Geschirr und Besteck für die ZusammenKüche herzustellen. Wir hoffen, dass es bald zum Einsatz kommen kann!

Keramiktreff Dragonerareal © Avi Bolotinsky
Keramiktreff Dragonerareal © Avi Bolotinsky

Auch zum Tag des offenen Denkmals wurde von Dragopolis und UpStadt e.V. i.G. ein Programm auf die Beine gestellt und zu einem musikalisch-geschichtlichem Spaziergang eingeladen.

Spaziergang zum Tag des offenen Denkmals © Michael Lindner
Spaziergang zum Tag des offenen Denkmals © Michael Lindner
Musikalisches Programm zum Spaziergang © Michael Lindner
Musikalisches Programm zum Spaziergang © Michael Lindner

Mit den verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen konnten wir auf dem Gelände auch neue Orte aktivieren und nutzen, wie die bereits erwähnte Tanke im Rahmen der AnlaufStelle. Durch die Positionierung an so präsenter Stelle bleiben immer wieder Passant*innen stehen, um endlich einmal fragen zu können, was im Rathausblock eigentlich passiert. Gleichzeitig haben wir durch die großen Fensterscheiben auch ein Display für Informationen zum Prozess und zu Veranstaltungen in der Nachbarschaft gewonnen. 

Eine weitere Informationsfläche gibt es seit dem Sommer entlang des Zaunes hinterm Finanzamt. Die Kiezgalerie ist im Rahmen der Planungen einer Corona-konformen Ausstellung des städtebaulichen Entwurfes entstanden. Die 14 Plakatwände stehen ab jetzt für freie Ausstellungen und Informationen zu spezifischen Themen des Modellprojektes zur Verfügung. Bald könnt ihr unter anderem eine Fotoausstellung über Gewerbetreibende im Rathausblock ansehen.

Einige der neuen und bereits bestehenden Orte sollen in unser Wabenkonzept integriert werden, wie wir es auch mit der Aufnahme in die Kooperationsvereinbarung erkämpft haben. Als Waben bezeichnen wir Ideenräume, die sich an den Kriterien des Gemeinwohls orientieren. Diese sind als selbstverwaltete Räume und Flächen auf dem Areal verteilt zu finden. Damit sie langfristig nutzbar sind, sollen sie durch eine solidarische Trägerstruktur dauerhaft abgesichert werden. Dieses Jahr werden wir das Wabenkonzept weiterentwickeln und konkretisieren, um die Entstehung solcher Räume zu ermöglichen.


Wie ging es weiter mit dem städtebaulichen Entwurf?

Im Januar wurden in einer großen öffentlichen Veranstaltung die drei Entwürfe des städtebaulichen Werkstattverfahrens präsentiert. Im anschließenden Abschlusskolloquium wählte die Fachjury den Beitrag von SMAQ, MML und Barbara Schindler zur Weiterarbeit aus. Im vergangenen Jahr haben wir mit den Kooperationspartner*innen intensiv an der Weiterentwicklung dieses Entwurfs gearbeitet. Sämtliche Abstimmungen und Arbeitstreffen dazu fanden auch hier über Videokonferenzen statt, was für ein Format mit viel Diskussionen und Anschauungsmaterial nicht unbedingt einfach war. Dennoch konnten wir die Überarbeitungsphase fast abschließen und die Ergebnisse werden bald in der Kiezgalerie präsentiert.

Ergänzend zum Entwurf arbeiten wir mit den anderen Kooperationspartner*innen aktuell an der Erstellung eines Gestaltungsleitfadens. Dazu werden in verschiedenen Werkstätten Aussagen zu Gestalt, Materialität, aber auch zu Nutzungspotentialen verschiedener zukünftiger Orte und Flächen getroffen. Im November fand zusätzlich dazu die Begleitveranstaltung “Der Rathausblock forscht” statt, die sich insbesondere an Nachbar*innen richtete, um den Prozess mit ihrem Wissen zu unterfüttern.


Das Raum- und Flächenkuratorium – Entscheidungsgremium zur Flächenvergabe

Das Raum- und Flächenkuratorium ist ein Gremium, dass die Vergabe von Flächen auf dem Gelände regeln wird. Im vergangenen Jahr haben wir mit den Kooperationspartner*innen intensiv an dessen Konzeption gearbeitet, so dass bald die konstituierende Sitzung des Gremiums stattfinden kann. Daraus ist insbesondere mit der BIM ein intensiver und regelmäßiger Austausch entstanden, durch den wir oft viele aufkommende Fragen direkt klären können. 


AG Mobilität und AG Ökologie & Nachhaltigkeit werden Teil des Modellprojektes

2019 entstanden aus einem Forum Rathausblock heraus der Bedarf, die Themen Mobilität und Verkehr sowie Ökologie und Nachhaltigkeit stärker in die Agenda und Planungen einzubinden. Forumsteilnehmer*innen, Nachbar*innen und Interessierte gründeten daraufhin zwei neue Arbeitsgruppen des Modellprojektes, sowie die Initiative X-berg-klimaneutral, die sich intensiv mit den Entwicklungsmöglichkeiten eines klimaneutralen Rathausblocks beschäftigt. Diese waren maßgeblich an den Formulierungen der Ausschreibungen eines energetischen Quartierskonzeptes und eines Mobilitätskonzeptes für den Rathausblock beteiligt, die inzwischen ausgeschrieben wurden und aktuell bearbeitet werden. 


KoopWohl – das Modellprojekt Rathausblock in der Forschung 

Das Forschungsprojekt KoopWohl, welches u.a. vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) geleitet wird, untersucht die Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Verwaltung in Prozessen der Stadtentwicklung, insbesondere mit Blick auf Teilhabe und Gemeinwohl. Das Modellprojekt Rathausblock dient dafür als Fallbeispiel und auch das Vernetzungstreffen wird in diesem Rahmen untersucht. Die Forschenden nahmen beobachtend an Arbeitstreffen teil oder organisierten einen Runden Tisch mit Kooperationspartner*innen. Diese Schritte erlauben immer wieder eine besondere Reflexion der eigenen Arbeit, die wir auch in diesem Jahr weiterführen werden.


Neue Stellen und neue Strukturen der Zusammenarbeit

In der Kooperationsvereinbarung ist der Aufbau einer starken Gemeinwesenstruktur schon in der Planungsphase festgeschrieben. Diesen Bedarf haben wir erneut vorgetragen, so dass mit Mitteln aus dem Forschungsprojekt und unterstützt durch den Bezirk eine neue Stelle für Gemeinwesenarbeit im Rathausblock geschaffen werden konnte. Nicht nur bezüglich der Anforderungen an die Stelle, sondern auch bei deren Besetzung haben wir in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt und den Forscherinnen maßgeblich mitentschieden. Wir freuen uns sehr, dass unsere neue Gemeinwesenmitarbeiterin für dieses Jahr schon viele Projekte plant. Ihr könnt sie bereits per E-Mail erreichen: kieznetz@rathausblock.org

Außerdem hat die ZusammenStelle letztes Jahr eine neue Mitarbeiterin bekommen, die vor allem für Modellprojektvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und euch seit Frühling stets auf dem Laufenden hält. 

Leider konnten noch nicht alle unsere Unterstützungsbedarfe umgesetzt werden. Unsere ehrenamtlich arbeitende Wohngruppenvernetzung GeWiSel hatte es trotz guter Selbstorganisation weiterhin schwer, ihre Anliegen und Forderungen durchzusetzen. Aus diesem Bedürfnis heraus initiierten wir letztes Jahr Gespräche mit anderen Wohnvernetzungen und dem Bezirksamt. So konnten wir die Konzeptionierung einer bezirksweiten Unterstützungsstruktur für Wohninitiativen und alternative Wohnformen anstoßen. Mit Abschluß der Konzeptionsphase hoffen wir, dass im Laufe dieses Jahres eine unterstützende Stelle ausgeschrieben wird. 


 Besondere Herausforderungen 

Im Juni besetzte eine Gruppe Jugendlicher Teile eines leerstehenden Gebäudes auf dem sog. Dragonerareal. Sie forderten damit Räumlichkeiten für Potse & drugstore ein. Während wir die Forderungen nach langfristig gesicherten Räumen für Jugend- und Subkultur grundsätzlich teilen und auch bestärken, machte diese Aktion unsere Erfolge der gemeinsamen und gemeinwohlorientierte Entwicklung des Geländes in einem kooperativen Verfahren, nach außen hin unsichtbar. Die Anliegen der Besetzer*innen haben uns aber bestärkt, über den Entwicklungsprozess der bereits geplanten Jugendfreizeiteinrichtung – insbesondere in Hinblick auf eine mögliche Beteiligung von zukünftigen Nutzer*innen – intensiver nachzudenken. 

Am Ende von 2020 müssen wir außerdem ernüchternd feststellen, dass der Kiezraum immer noch nicht fertig ist und auch die Adlerhalle, für die es 2019 eine temporäre Nutzungserlaubnis für das Werkstattverfahren gab, ist immer noch nicht vom Bauamt freigegeben. 2021 weckt jedoch große Hoffnungen: Bereits im Frühling könnte sich das ändern. 


Und zum Schluss: Ein Dokumentarfilm über den Rathausblock

Auf den freuen wir uns schon sehr! Zwei Nachbar*innen des Areals werden den Rathausblock in seinem aktuellen Zustand – vor den nahenden Umbauarbeiten – festhalten. Der Film „Kleinod vor dem Umbruch“ hat durch ein erfolgreiches Crowdfunding und durch Unterstützung von Kooperationspartner*innen eine Finanzierung sichern können, so dass die Arbeiten an dem Film jetzt so richtig los gehen können. Vielen Dank an das Filmteam, alle Spender*innen und Unterstützer*innen!