2021 – (Reduziertes) Buntes Treiben im Rathausblock
Auch das Jahr 2021 war im Rathausblock stärker durch die Pandemie geprägt, als wir uns es gewünscht hätten: Es startete im Lockdown, analoge Formate waren nicht möglich und das Arbeiten sowie sämtliche Treffen fanden nicht vor Ort, sondern meist zu Hause vor dem Bildschirm statt. Im Laufe des Jahres und insbesondere im Sommer war aber wieder ein aktives, sichtbares und gemeinsames Leben und Arbeiten auf dem Areal möglich:
Die Adlerhalle – das Zentrum des Treibens
Die Adlerhalle im Mittelpunkt des Areals wurde schon seit längerem als Werkstatt und Treffpunkt für verschiedene Initiativen und Arbeitsgruppen des VTRs genutzt. Im September wurde das Rolltor im Rahmen der Stadtwerkstatt auch für die Nachbar*innenschaft, Akteur*innen der Stadtpolitik und andere Interessierte geöffnet. In vielseitigen Veranstaltungen wurde gemeinsam über Community Design Center im Bezirk diskutiert, Parklets gebaut, oder einfach bei einem Getränk am AKS-Tresen das Treiben genossen. Das Format der Stadtwerkstatt konnte aufzeigen, wie wichtig es ist, einen Ort für den (in)direkten Austausch zwischen organisierter Zivilgesellschaft und Akteur*innen der Verwaltung zu haben. Wir setzen uns dafür ein, einen solchen Ort auch bei der weiteren Entwicklung des Areals räumlich mitzudenken.
Wir haben uns aber nicht nur über Themen der Stadtentwicklung ausgetauscht, sondern waren auch wieder handwerklich aktiv. Für das wachsende Archiv und die Bibliothek entstanden in einem Upcycling-Workshop von CoCooN erste Möbel und Ausstellungsflächen.
Der Baupalast, der verschiedene Initiativen und Projekte unter sich vereint, bekam mit der Fahrradselbsthilfewerkstatt Fahrrad3000 und dem KairoKulturKiosk Zuwachs und belebte während eines langen Sommers Teile der Adlerhalle mit viel Gewerkel und verschiedenen Lesungen. Ebenso haben sie den Backhauswagen, der letztes Jahr eingeweiht wurde, in mehreren Workshops mit der Nachbar*innenschaft vor der Halle angefeuert.
Zum Ende des Jahres wurde die Adlerhalle als Zwischenquartier für zwei Gewerbetreibende vorbereitet, weshalb die Werkstätten in neue Räumlichkeiten ziehen. Dafür kann unter anderem das ehemalige Marmorwerk genutzt werden, da der bisherige Betreiber in Zusammenarbeit mit der Kooperation einen neuen Standort in der Nachbarschaft gefunden hat.
Ausstellungen an der Kiezgalerie und anderswo
Die Kiezgalerie, gegenüber der Adlerhalle am Zaun hinter dem Finanzamt gelegen, zeigte spannende Ausstellungen: die Fotografin und Nachbarin Ann-Christine Jansson präsentierte ihre Arbeit zu den Veränderungen des Lebens auf dem Areal, bei der sie verschiedene Gewerbetreibende und Aktive auf dem Areal portraitierte. Thomas Lang plakatierte in seiner Ausstellung »M« historische Ansichten des Areals in der Nachkriegszeit. Der Künstler Jens Ulrich stellte zehn großformatige Bilder seines aktuellen Buches »Bilder ohne Geld« vor, die die Räume auf dem Areal bildlich festhalten, bevor bald große bauliche Veränderungen anstehen.
Eine weitere kleinere Ausstellungsfläche gab es auch 2021 an der Hauswand des Gretchens gleich rechts neben dem Eingang an der Obentrautstraße. Alle zwei Monate wird die so genannte Gretelwand von verschiedenen Künstler:innen neu bespielt, immer unter einem bestimmten Motto für alle umsonst und draußen.
Kultur an der Plangarage
Der Garagensommer von Stadt von Unten kehrte zurück: mit verschiedenen Barabenden und des Screenings des Dokumentarfilms ILSE in Anwesenheit der Regisseurin, der sich aufgrund eines Wetterumschwungs spontan zum Tango-Abend in der Adlerhalle entwickelte.
Infopunkt AnlaufStelle
Die AnlaufStelle, die zu Beginn des Jahres noch als FunkStelle digital stattfand, bezog im April wieder das altbekannte Quartier in der Tanke an der LPG. Dank einer Spende des Berliner Exilmuseums und mit Hilfe des Baupalastes gehört seit Dezember der sogenannte Infocontainer zu den Raumressourcen des VTR. Wir haben ihn präsent platziert, direkt an der Kreuzung Obentrautstraße/Mehringdamm und mit einer kleinen Feier eingeweiht. Er soll bald auch im Kontext der AnlaufStelle genutzt werden.
Der Dorfplatz – verstecktes Potenzial
Der Dorfplatz, verborgen hinter dem ehemaligen Marmorwerk im Westen des Areals, wurde 2021 wiederbelebt: Auf dem historischen Kopfsteinpflaster zwischen denkmalgeschützten Reithallen und Stallungen fanden Lesungen sowie Filmdrehs statt – und es wurde getanzt, denn dort war die Hauptbühne des Suppe&Mukke-Festivals aufgebaut, das wir 2021 aus Friedrichshain rüber nach Kreuzberg locken konnten. Damit der Dorfplatz auch weiterhin als ein besonderer Ort und Treffpunkt des gemeinsamen (Er)Lebens bleibt, setzen sich VTR und Forum Rathausblock bei der Weiterentwicklung des städtebaulichen Entwurfes dafür ein, dies in die Planung der zukünftigen Nutzungen zu integrieren.
Der Kiezraum – endlich!
Im Rahmen der Kiezwoche lud das VTR Interessierte dazu ein, das Modellprojekt Rathausblock und die dazugehörige »gelebte Utopie vom guten Leben in der Stadt« zu entdecken. Nach diesem Rundgang über das gesamte Gelände fand dann die sehnlichst erwartete Einweihung des Kiezraumes statt, der nach vielen Jahren der Sanierung nun endlich der Nachbar*innenschaft zur Verfügung steht. Die Initiativen des VTR und andere Gruppen nutzten diesen seitdem schon fleißig. So organisierte die Nachbarschaftsinitiative Dragopolis zusammen mit der Initiative Kreativ Haus Kreuzberg und UpStadt e. V. zum Jahrestag des Beginns der Novemberrevolution 1918 dort eine Veranstaltung zur heutigen Kontextualisierung der damaligen Geschehnisse in Form von Theater, Musik, Vorträgen und Diskussion. Aktuell ist die Bespielung des Raums durch die strengen Hygienemaßnahmen leider nur in sehr reduzierter Form möglich.
Um die Aufnahme der Nutzungen zu koordinieren, arbeiten Startergruppen aus dem VTR und aus der Nachbar*innenschaft auf Hochtouren an einem Konzept zur Selbstverwaltung.
Und noch vieles mehr…
Zu Streifzügen über das gesamte Gelände lud im Herbst das Grafittimuseum anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums ein. Dabei wurden Schriftzüge, Kritzeleien und Murals gemeinsam mit Expert*innen analysiert und interpretiert.
Ein weiterer thematischer Spaziergang über das Kasernengelände wurde im Rahmen des Tags des offenen Denkmals von der Initiative Dragopolis zusammen mit UpStadt e. V. durchgeführt. Er hatte eine musikalisch-geschichtliche Prägung.
Das Nachbarschaftsfest Dragonale, ebenfalls von Dragopolis organisiert in Zusammenarbeit mit der Initiative Kreativ Haus Kreuzberg und dem Gretchen, konnte dieses Jahr wieder im Hof des Gretchens stattfinden – wenn auch in verkleinerter Form als Dragonalinchen. Das Gretchen selbst versorgte die Nachbar*innenschaft und andere Musikbegeisterte über das gesamte Jahr mit pandemiekonformen Hofkonzerten.
Ein Neuzugang im VTR und ein Abschied
Nach intensiver Mitarbeit in der AG Ökologie und Nachhaltigkeit wurde die Initiative AK Xberg-klimaneutral ins Vernetzungstreffen Rathausblock aufgenommen und bringt unter anderem bei der Erstellung des energetischen Quartierskonzeptes ihre fachliche Perspektive im Prozess ein.
Am Ende des Jahres erreichte uns die Nachricht, dass sich die Initiative Stadt von Unten dazu entschlossen hatte, nicht länger Teil des Vernetzungstreffens Rathausblock zu sein. Stadt von Unten spielten vor allem im Anti-Privatisierungskampf um das Gelände sowie beim Aufbau der Kooperation und der ZusammenStelle eine wichtige Rolle – weshalb wir es sehr bedauern, dass sie sich nicht mehr ausreichend mit den Zielen, Forderungen und Arbeitsweisen des VTR und der Kooperation identifizieren können.
Fokus auf die Nachbar*innenschaft
Ein besonderer Fokus des vergangenen Jahres lag auf der Vernetzung mit der Nachbar*innenschaft – zum Beispiel die Unterstützung der Initiative Kiezblock Großbeeren, die den Durchgangsverkehr auf der den Rathausblock rahmenden Großbeerenstraße reduzieren will.
Auf Tour mit dem Inforad im Kiez wurden Nachbar*innen mit Informationen zu anstehenden Foren informiert. Im September fand auch die Wahl der neuen Forumdselegierten statt – und das VTR freut sich auf den frischen Wind, der schon jetzt neue Ideen in die Gestaltung der Beteiligungsformate bringt.
Der städtebauliche Entwurf – Gut Ding will Weile haben?!
Auch wenn die Fertigstellung des städtebaulichen Entwurfs schon im vorangegangenen Jahr geplant war, konnte die Kooperation die Überarbeitung noch nicht final abschließen. Standorte zentraler Einrichtungen und Nutzungen müssen gut geplant und ausgelotet werden, denn der Bebauungsplan, der im nächsten Schritt daraus entsteht, wird das Gelände für die weitere Entwicklung grundlegend prägen. Die Ziellinie ist aber schon in Sicht!
Die pandemische Situation lässt uns zum Jahreswechsel den Blick in die Zukunft zwar etwas neblig erscheinen, wir bleiben aber dennoch optimistisch und freuen uns auf die Zeit, in der wir den Kiezraum endlich richtig nutzen können, gemeinsam auf dem Dorfplatz Feste feiern (zum Beispiel die Fertigstellung des städtebaulichen Entwurfs?), gemeinsamen Werkeln im Marmorwerk und natürlich vieles Unvorhergesehenes mehr. Wir sind gespannt!